Cybermobbing – auch immer mehr Lehrer sind betroffen

Christiane Jurczik

Viele Schüler waren leider lange vor den coronabedingten Schulschließungen selbst schon von Cybermobbing, Beleidigungen oder Missbrauch im Internet betroffen.

Durch das Homeschooling sind jetzt auch immer mehr Lehrer betroffen. Das zeigt zum Beispiel ein Fall aus Unterfranken – die Lehrerin erstattete Anzeige bei der Polizei. "Mir ist es wichtig, dass der Unterschied zwischen einer Straftat und einer Schmiererei auf der Schultoilette deutlich wird", erklärt sie diesen Schritt. "Denn ich denke, für das jugendliche Empfinden war es einfach nur die Möglichkeit, dem eigenen Frust Luft zu machen. Zum Eigenschutz, aber auch um die Täterin oder den Täter nicht in der Öffentlichkeit gebrandmarkt zu sehen, will die Lehrerin unerkannt bleiben. "Sie oder er hat einen Fehler gemacht, wird dafür gerade stehen und die Konsequenzen tragen müssen, soll aber dadurch in Zukunft keine Schwierigkeiten bei der Berufswahl oder ähnlichem haben."

Mit der Entscheidung, Anzeige gegen Schüler zu erstatten, steht die Pädagogin in Unterfranken nicht alleine da: Lehrer einer Schule in Mellrichstadt im Landkreis Rhön-Grabfeld haben im vergangenen Jahr ebenfalls zwei Schüler wegen Beleidigung angezeigt. Auch ein 17-Jähriger aus der Region wurde angezeigt, da er während des Homeschoolings ein Gespräch mit seinem Lehrer filmte und das Video mit Namen des Lehrers und Beleidigungen im Internet bei TikTok veröffentlichte.

Die Täter werden immer jünger

Als die Schüler verunstaltete Fotos der Lehrer ins Internet stellten und an Mitschüler sandten, entschieden sich die Lehrer für eine Anzeige. Das Besondere: Die Schüler sind unter 14 Jahre alt und damit nicht strafmündig. "Die Ermittlungen wurden dennoch sehr ernst genommen und die Ergebnisse an das Jugendamt und die Staatsanwaltschaft weitergeleitet", sagte ein Polizeibeamter. "Es geht darum, ein Signal an mögliche Nachahmer zu senden und zu verhindern, dass sowas nochmal passiert."

Einer Forsa-Studie im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) aus dem Jahr 2020 zufolge gaben 32 Prozent der rund 1300 befragten Schulleiter an, dass es an der eigenen Schule Fälle gab, in denen Lehrkräfte über das Internet diffamiert, belästigt, bedrängt, bedroht oder genötigt worden. Zwei Jahre zuvor lag der Durchschnittswert noch bei 20 Prozent. Die Umfrage wurde vor den coronabedingten Schulschließungen durchgeführt.

Die Fälle von Cybermobbing nehmen zu. Laut einer Studie verschärft die Corona-Pandemie die Lage. Wie weit Cybermobbing in Deutschland verbreitet ist und inwieweit sich die Corona-Pandemie darauf auswirkt, hat das Bündnis gegen Cybermobbing erforscht. Für die Studie »Cyberlife III – Cybermobbing bei Schülerinnen und Schülern« wurden Schüler, Eltern und Lehrkräfte befragt.

Die Ergebnisse der Onlineumfrage geben Einblicke zur Entwicklung des Phänomens, das bereits 2013 und 2017 untersucht wurde.

Laut der Studie ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die von Cybermobbing betroffen sind, in den vergangenen drei Jahren um mehr als ein Drittel gestiegen. Waren im Jahr 2017 noch 12,7 Prozent der Schülerinnen und Schüler betroffen, sind es inzwischen 17,3 Prozent, wie aus Aussagen der befragten Kinder und Jugendlichen hervorgeht. Auch Grundschüler seien zunehmend der Gefahr ausgesetzt.

Cybermobbing kann bei den Betroffenen deutliche Spuren hinterlassen. Mit Abstand am häufigsten haben Lehrkräfte bei Schülern beobachtet, dass sie niedergeschlagen oder bedrückt wirkten. Die Hälfte der Pädagogen berichtet von einem Leistungsabfall in der Schule, gefolgt von häufigem Fehlen vom Unterricht und Konzentrationsproblemen. Aber auch Angstzustände, Wut, eine plötzliche Verschlossenheit oder körperliche Symptome wie Kopf- oder Magenschmerzen konnten Lehrerinnen und Lehrer feststellen.

Zwei Drittel der befragten Lehrkräfte gaben an, dass Cybermobbing an der Schule ein Problem ist. Besonders betroffen sind aus Sicht der Lehrer die Haupt- und Werkrealschulen. Fünf Prozent der Lehrer waren bereits selbst Opfer von Cybermobbing.

Insgesamt 80 Prozent der befragten Lehrer sind der Meinung, dass die im Internet vorherrschende Anonymität die Bereitschaft der Jugendlichen fördere, böse und gemein zu anderen zu sein. Darüber hinaus empfinden mehr als zwei Drittel der Befragten (69 Prozent), dass die Umgangssprache zwischen den Jugendlichen härter und gewaltbereiter geworden sei.

An den Schulen werden aus Sicht der Lehrer immer weniger Maßnahmen umgesetzt, um Schüler zu schützen. So gibt es an nur an etwa jeder vierten Schule eine oder einen Antimobbingbeauftragten.

Lehrkräfte fordern nicht zuletzt aus diesem Grund Unterstützung: Sie brauchen beispielsweise gutes Unterrichtsmaterial zu Cybermobbing, ein Coaching von außen, Fortbildungen, aber auch mehr Einsatz von den Eltern.