Cybergrooming: Kinder werden im Netz zu Opfern von Missbrauch

Christiane Jurczik

Grooming ist eine spezifische Art der sexuellen Belästigung. Gemeint sind damit Aktivitäten von Erwachsenen im Internet, die gezielt einen sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen vorbereiten. Die Täter sind meist ältere Männer, die sich in sozialen Netzwerken gegenüber jungen Menschen als gleichaltrig ausgeben. Mit einem falschen Profil erschleichen sie sich das Vertrauen der Opfer und fühlen sich in ihrem Tun durch die Anonymität des Netzes sicher.

Beim Cyber-Grooming geben sich Erwachseneoft als Kinder aus und versuchen so, sich Vertrauen zu erschleichen, ohne dabei ihre wahre Identität zu offenbaren. Oft fragen sie nach intimen Informationen, verwickeln die jungen Menschen in sexuelle Gespräche und ermutigen sie, sexuell eindeutige Fotos und Videos zu schicken. Manchmal erpressen die Täter die Betroffenen mit bereits erhaltenen Fotos und drohen ihnen mit der Veröffentlichung, auch an Freunde oder Familie. Nicht selten versuchen sie das Kind zu einem Treffen zu überreden um es "offline" zu missbrauchen. Oft wird versucht die Kommunikation in private Chats zu verlagern.

Insbesondere Kinder- oder Jugendkanäle großer Chat-Portale ziehen Nutzer mit pädokriminellen Neigungen an. Fragen nach bisherigen sexuellen Erfahrungen des Kindes oder Jugendlichen und Beiträge mit Beschreibungen der sexuellen Vorlieben, Praktiken oder Fantasien von meist volljährigen Teilnehmern, kommen immer wieder vor. Auch Aufforderungen zu sexuellen Handlungen sind dabei. Von sexueller Belästigung sind in den meisten Fällen junge Mädchen betroffen- aber auch Jungen sind nicht vor solchen Übergriffen sicher.

An diese Belästigungen schließen sich häufig Straftaten wie sexueller Missbrauch, das Anfertigen und oder Weiterverbreiten von kinderpornographischem Material an. Allerdings ist dieser Paragraf auch umstritten. Täter können sich darauf berufen, dass sie ihr Gegenüber für älter eingestuft hätten, monieren Kritiker. Die Beweisführung ist schwierig.

Zu wenige Cyber-Ermittler

"Das ist ein Massenphänomen", sagt Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger von der Hochschule der Polizei Brandenburg. Er kritisiert, dass es derzeit zu wenige Cyber-Kriminalbeamte gibt, die Täter im Netz identifizieren könnten. Zwar könne man die Cybergroomer schon heute über so genannte "Schein-Kind-Operationen" überführen. Dabei legen sich Polizisten im Netz die Schein-Identität eines Minderjährigen zu. Aber diese Operationen, so Rüdiger, fänden bedauerlicherweise nicht flächendeckend statt.

Immer wieder werden Fälle aufgedeckt in denen die Chatfunktion missbraucht wurde um mit Minderjährigen Kontakt aufzunehmen. Zudem geben Kinder oft unbewusst zu viele Informationen über sich bekannt. Sie posten aktuelle Standorte und können so von anderen Personen identifiziert werden und somit auch offline Übergriffe erfahren. Onlinespiele sind ebenfalls Anbahnungsplattformen für Übergriffe. Über gemeinsame Aktivitäten im Spiel wird schrittweises Vertrauen aufgebaut. Dies kann selbst in speziell für Kinder eingerichteten Communitys passieren.

Ein Paradies für Kriminelle

Cyber-Grooming führt aus Tätersicht sehr viel schneller zum Erfolg als im realen Leben. "Für diese Kriminellen ist das Internet ein paradiesischer Ort mit direktem und ungestörten Kontakt zu ihren Opfern", sagt Julia von Weiler. Und selbst, wenn Kinder über Medienkompetenz verfügen, begeben sie sich in der digitalen Welt schneller in Gefahren oder auf falsche Wege. Die jungen Menschen haben noch wenig Lebenserfahrung, sie sind einem Erwachsenen immer unterlegen und stecken in einer Phase, in der sie sich selbst ausprobieren und entdecken wollen.

Die Psychologin fordert, dass Politik und Internetanbieter endlich ins Tun kommen. "Es muss ein digitaler Kinderschutz geschaffen werden, mit Regeln wie im Straßenverkehr. Wenn Google ein selbstfahrendes Auto starten lässt, wird es auch die technischen Möglichkeiten schaffen können, unseren Kindern eine sichere Umgebung in der digitalen Welt zu ermöglichen. Ebenso Unternehmen wie Facebook, Snapchat oder die Online-Spiele-Industrie."