Corona verschärft Kinderarmut
Christiane Jurczik
Kinderarmut bleibt ein Thema, nicht nur weltweit, sondern auch im reichen Deutschland, indem aktuell 20,5 Prozent der Menschen unter 18 Jahren von Armut bedroht sind.
Kinderarmut ist in Deutschland seit Jahren auf einem hohen Niveau. Jedes fünfte Kind (also über 205 Millionen) lebt in Armut. Langzeitstudien weisen darauf hin, dass ein großer Teil der von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen dauerhafte oder wiederkehrende Armutslagen erleben.
Mitte März wurden Kindertageseinrichtungen, Schulen und so gut wie alle Freizeit- und Unterstützungsangebote für Kinder geschlossen. Viele Familien haben ihren Alltag wochenlang weitestgehend isoliert gestaltet, sind gleichzeitig von drohender Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder fehlenden Aufträgen betroffen. Das bringt finanzielle Sorgen mit sich, die beispielsweise durch fehlende Mittagsangebote für die Kinder und geschlossene Hilfseinrichtungen noch verstärkt werden können.
Neben den finanziellen Sorgen können sich für die betroffenen Kinder und Jugendlichen ebenso gravierende Nachteile beim sogenannten Homeschooling ergeben. Nicht jede Familie verfügt über einen Internetanschluss, ein geeignetes technisches Gerät oder die Kompetenzen, die Anforderungen des von-Zuhause-Lernens zu erfüllen. Viele Kinder haben zudem kein eigenes Kinderzimmer, somit keinen ruhigen Rückzugsort für konzentriertes Lernen. Damit haben die Kinder ungleich schlechtere Lernbedingungen, je länger sie zu Hause bleiben.
Beschämend für so ein reiches Land wie Deutschland: Die Armutsgefährdungsquote ist laut dem Statistischen Bundesamt in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegen und befindet sich aktuell auf einem 10-Jahres-Hoch!
Noch beschämender: Knapp 20 Prozent der Familien mit drei oder mehr Kindern beziehen Sozialleistungen. Bei Alleinerziehenden mit mindestens drei Kindern sind es sogar zwei Drittel. Die Armut steigt mit der Kinderzahl.
Zwei von drei armen Kindern sind nicht nur kurzzeitig in finanzieller Not, sondern mindestens fünf Jahre ihrer Kindheit. Jedes zweite dieser Kinder macht sich Sorgen darüber, wie viel Geld seine Familie hat.
Besonders von Armut bedroht sind drei Gruppen: Kinder alleinerziehender Eltern, Kinder mit mindestens zwei Geschwistern und Kinder mit geringqualifizierten Eltern. Armut bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich gravierend von Armut unter Erwachsenen. Kinder sind grundsätzlich erst einmal abhängig von ihrem Lebensumfeld und den Erwachsenen, die sie umgeben. Sie können je nach Alter gar nicht oder kaum auf die materielle und soziale Lage ihrer Umgebung Einfluss nehmen. Sie erfahren materielle, kulturelle und soziale Einschränkungen, die mitunter schwerwiegend sind und von langfristigen Folgen begleitet sein können.
Arm zu sein heißt, auf vieles verzichten zu müssen, was für Gleichaltrige ganz normal zum Aufwachsen dazugehört. Vor allem schließt es von vielen sozialen und kulturellen Aktivitäten aus. Und Verzicht und Mangel haben langfristig Folgen: Wer schon als Kind arm ist und nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, hat auch in der Schule nachweisbar schlechtere Chancen. Das wiederum verringert die Möglichkeit, später ein selbstbestimmtes Leben außerhalb von Armut zu führen.
Die Corona-Krise wird die Situation für arme Kinder und ihre Familien weiter verschärfen. Es ist mit einem deutlichen Anstieg der Armutszahlen zu rechnen.