Chaos an deutschen Schulen - eine Lehrerin berichtet
Christiane Jurczik
Lehrermangel, Migration und immer öfter verhaltensauffällige Kinder. Dazu viel zu große Klassen und bürokratischer Papierkrieg. Vor allem Grundschullehrer ächzen unter der Last ihrer Aufgaben und fühlen sich alleingelassen. Die Situation an den Schulen sei Katastrophal, berichten Lehrer immer öfter.
Vor allem an Grundschulen unterrichten viel zu wenige Lehrer in viel zu großen Klassen. Gleichzeitig müssen sie mit steigenden Anforderungen wie der Inklusion von Behinderten, der Integration von oft traumatisierten Flüchtlingskindern und der steigenden Zahl verhaltensauffälliger Kinder fertigwerden. Im Frühjahr 2018 schlug die Schilderung in „Focus“ (Chaos an deutschen Schulen - Eine Lehrerin schlägt Alarm: "Ich komme mit den Kindern nicht mehr zum Lernen", Focus-Online 25. März 208) über die Zustande in den Schulen einer Lehrerin:
„Ich bin Anfang 40, seit mehr als 17 Jahren Grundschullehrerin in Bayern, davon zwei Jahre im Referendariat und zwei Jahre in Elternzeit. Ich habe zwei noch relativ kleine Kinder. Deswegen arbeite ich derzeit in Teilzeit mit 20 Wochenstunden – übrigens zählen zu diesen 20 Stunden nur die, in denen ich vor der Klasse stehe, nicht die, in denen ich den Unterricht vorbereite und korrigiere. Viele vergessen gerne, dass Lehrer am Nachmittag keinesfalls frei haben.“
„Ich unterrichte eine Klasse mit 26 Kindern. Wobei von „unterrichten“ kaum die Rede sein kann. Ich fühle mich derzeit mehr als Sozialarbeiterin denn als Lehrerin. Denn meine Hauptenergie fließt weniger ins Unterrichten. Ich brauche sie meist dafür, die Kinder so zu erziehen, dass ich sie überhaupt unterrichten kann.“
„Von den 26 Kindern ist nämlich etwa die Hälfte „verhaltensoriginell“, wie das euphemistisch und politisch korrekt mittlerweile gerne genannt wird – oder zeigt in anderer Form psychische Auffälligkeiten oder problematisches Verhalten. Dazu zähle ich nicht einmal Lernschwierigkeiten oder Minderbegabungen. Meinen Kollegen und mir fällt vielmehr immer öfter auf, dass viele Kinder in ihrem sozialen und psychischen Verhalten völlig unterentwickelt in die Schulzeit starten.“
Auch in Bayern ärgern sich manche Eltern über aus allen Nähten platzende Klassenzimmer. „Die Klassenstärken sind in Bayern oft viel zu groß“, sagt Bernhard Baudler von der Bildungsgewerkschaft GEW. Er spricht aufgrund des latenten Lehrermangels von „katastrophalen Zuständen“. Baudler klagt: „Viele Lehrer gehen nur mehr auf dem Zahnfleisch – und auch die Schüler leiden darunter.“ Auch Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), findet drastische Worte. „Die Hütte brennt.“ Der Staat müsse dringend gegensteuern.
Zu viele Kinder sind auf dem Stand eines Kleinkindes
Sie wollen ihre Bedürfnisse sofort erfüllt sehen, haben kaum Geduld und eine sehr niedrige Frustrationstoleranz. Sie nehmen nur sich selbst wahr und merken gar nicht, wenn sie andere stören, anrempeln oder ständig reden. Sie sind unselbstständig, können nicht auf ihre Sachen aufpassen, verlegen oder verlieren sie ständig.
Viele Kinder sind nicht einmal in der Lage, ihr Heft herauszuholen, wenn ich sie dazu auffordere. Sie können sich kaum konzentrieren, nicht einmal zuhören, geschweige denn, das Gehörte umsetzen. Es ist also sehr schwer, sie überhaupt zu erreichen und ihnen etwas beizubringen. Das alles hat übrigens nicht zwangsläufig etwas mit Intelligenz zu tun - ich habe viele hochbegabte Kinder, die im Schulalltag dennoch scheitern.
Zahlreiche Schüler sind ständig müde
In vielen Familien sind beide Eltern berufstätig weil sonst das Geld nicht reicht, der Familienalltag dadurch unbeständig bis chaotisch. Den Kindern fehlt es an festen Strukturen und Bezugspersonen, die ihnen Sicherheit geben, damit sie zur Ruhe kommen und sich erholen können.
Kinder, die von ihren Eltern vernachlässigt werden, den Unterricht durch unangemessenes Verhalten stören oder anderweitig als „schwierig“ gelten, gibt es natürlich schon immer. Früher kamen diese Kinder aber meist aus sozial schwachen Milieus. Heute scheinen psychische Auffälligkeiten auch in gut situierten Familien angekommen zu sein.
Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich wirklich kaum Kinder, die nicht Probleme mit in die Schule bringen, die durch Elternhaus und Erziehung entstanden sind. Ein Junge kommt beispielsweise aus gut situiertem Hause, hat sehr bemühte Eltern, ist dadurch aber auch derart verhätschelt, dass er nichts alleine auf die Reihe kriegt.