Buchbesprechung: Deutschlands Sexuelle Tragödie von Bernd Siggelkow und Wolfgang Büscher/Gerth Medien, 2008, 14,90 Euro
In den letzten Jahren ist verstärkt ein neues Phänomen ins Blickfeld der Öffentlichkeit gekommen: Die Pornographisierung der Jugend. Das Internet und seine vielen illegalen pornographischen Angebote haben dazu geführt, daß viele Jugendliche (und Kinder) nicht nur sehr früh harte Pornographie sehen, sondern auch viel öfter. Studien weisen darauf hin, daß harte Pornographie für einen Anteil von Jugendlichen zum Alltag gehört.
Das Buch von Siggelkow und Büscher ist eine Sammlung von konkreten Beispielen dieses neuen Phänomens. Die Berichte in diesem Buch beschreiben das Leben von Jugendlichen, die von früh an total durchsexualisiert worden sind, die in chaotischen Familienverhältnissen lebten und für die das Leben ebenso wie für ihre Eltern nur daraus besteht, Pornographie nicht nur zu konsumieren sondern auch danach zu leben.
Es ist der Verdienst der beiden Autoren, auf diese fürchterliche moralische Wunde in unserem Land hinzuweisen.
Aber das ist nicht alles. Das Buch ist auch deshalb so interessant, weil es einen Zusammenhang herstellt zwischen der Sexualisierung der Gesellschaft – ein Thema, das typischerweise aus wertkonservativer Seite in die öffentliche Debatte gebracht wurde – und das vor wenigen Jahren von der SPD, konkret von Kurt Beck, ins Feld geworfene Thema des „sozialen Prekariats“ oder der „Unterschicht“.
Als Unterschicht wird ein Segment unserer Gesellschaft angesehen, das nicht mehr mit der allgemeinen Entwicklung Schritt halten kann. Es sind Menschen, die sozusagen vom Rest angehängt werden und lebenslänglich von Hartz IV leben müssen. Es sind Menschen, die „abgeschrieben“ wurden und vom Sozialstaat unterstützt werden müssen. Sie sind nicht mehr in der Lage, aus eigener Initiative das Leben zu meistern.
Die öffentliche Debatte in Deutschland über die Unterschicht bekommt manchmal neurotische Züge. Das Phänomen ist unbekannt und man meinte wohl, in Deutschland sei so was nicht möglich. Ein soziales Prekariat kannte man nur aus dem Fernsehen, wenn es in Berichten über die sog. Dritte Welt behandelt wurde.
Siggelkow und Büscher haben erkannt, daß viele Jugendliche dieses Prekariats nichts mehr mit Bach, Goethe und Wagner anfangen können, aber alle möglichen Varianten der harten Pornographie, die sie täglich sehen, schon selber praktiziert haben.
„Deutschlands sexuelle Tragödie“ ist der empirische Befund, daß die Pornographie die Kultur der Unterschicht geworden ist. Dennoch ist das Buch nicht reißerisch geschrieben. Es schildert keine unnötigen Details über sexuelle Handlungen.
Weil das Buch eine Sammlung von Einzelberichten ist, die sich zudem ähneln, wird es irgendwann langatmig. Es wäre wünschenswert gewesen, doch zwischendurch zu versuchen, vom konkreten Fall ins Allgemeine überzugehen. Vor allem Bernd Siggelkow als Leiter des christlichen Kinder- und Jugendwerks die „Arche“ hat als Seelsorger immer den konkreten Einzelfall im Blick.
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