Berliner Therapiekonzept setzt auf Willenskraft und Selbstverantwortung bei „Pädophilen“ und potentiellen Mißbrauchstätern
Damit aus Gefühlen keine Taten werdenFelizitas Küble, Vorsitzende des Christoferuswerks eV in Münster
Berliner Therapiekonzept setzt auf Willenskraft und Selbstverantwortung bei „Pädophilen“ und potentiellen Mißbrauchstätern
Unter dem Leitwort „Damit aus Phantasien keine Taten werden“ versucht das „Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin“ an der Berliner Universitäts-Klinik „Charite“, jenen Menschen verhaltenstherapeutisch zu helfen, die zwar „pädophile“ (auf Kinder ausgerichtete) Sexualphantasien haben, diese aber nicht ausleben möchten. Es geht also darum, Kinderschändung und Mißbrauch im Vorfeld zu verhindern.
Doch was tun, wenn Fehlhaltungen so tief in der Persönlichkeit verankert oder bereits frühkindlich zementiert wurden, daß eine „Heilung“ der sexuellen Fehlorientierung unmöglich erscheint? Eben dies wird im Falle der sog. „Pädophilie“ von fachwissenschaftlicher Seite allgemein angenommen. Ist hier der Psychologe nicht mit seinem Latein von vornherein am Ende?
Dies wäre nur dann der Fall, wenn er den Menschen lediglich als „höheres Tier“ ansieht, das seinen Antrieben, Wünschen und Gefühlen unkontrolliert ausgeliefert ist und diese angeblich „ausleben“ muß, wie das seitens der Vulgär-Freudianer verkündet wird. Doch der vermeintliche „psychische Apparat“ (Fachausdruck der Freudschen Psychotherapie) ist keineswegs allmächtig, der Mensch kann ihn vielmehr mit Hilfe seines freien Willens regulieren, zumindest hinsichtlich seiner Auswirkung, seines Handelns, seiner Taten.
Verhaltenskontrolle ist also auch dort möglich, wo Gefühlskontrolle versagt.
Das weltweit einzigartige Therapieprogramm der Berliner „Charite“ geht davon aus, daß eine „pädophile“ Grundhaltung in der Regel nicht heilbar ist. Was geändert werden kann, ist das tatsächliche Verhalten, das durch Einsicht, Willenskraft und Selbsterziehung in gute Bahnen gelenkt werden soll.
Es geht um Erlernen von Selbstverantwortung und damit um Verhinderung von Kindesmißbrauch. Der Betroffene, der freiwillig zur Therapie kommt, soll wissen: „Ich bin nicht schuld an meinen Gefühlen, aber ich bin verantwortlich für mein Verhalten.“
Damit handelt es sich um ein Therapiekonzept, das auf dem christlich-katholischen Menschenbild beruht, wonach der Mensch zwar von Erbanlagen, Erziehung und Umwelt geprägt wird, sich aber gleichwohl durch seine Willensfreiheit und Charakterkraft durchaus selber erziehen kann und selbstverantwortlich handelt.
In einem Interview mit der links-alternativen Tageszeitung „taz“ vom 18. März 2010 äußerte sich Christoph Joseph Ahlers auch zur derzeitigen Mißbrauchs-Debatte in Deutschland. Der renommierte Sexualtherapeut ist Klinischer Psychologe am „Charite“ und widersprach gegenüber der „taz“ einer Reihe üblicher Klischeevorstellungen.
So sei nur eine Minderheit der „Kinderschänder“ pädosexuell geprägt - oft entstehe Kindesmißbrauch durch den Wunsch nach Machtausübung gegenüber Schwächeren oder dem Wunsch nach bequemen Sexerfahrungen.
Als der Therapeut feststellte, die „überfällige“ Diskussion über Mißbrauch sollte sich nicht auf katholische Kirche und Internate beschränken, fragte die Zeitung nach: „Warum betonen Sie das so?“
Ahlers Antwort verdeutlicht, daß ihm die „Sündenbock-Funktion“ bewußt ist, von denen viele Anschuldigungen gegen die katholische Kirche geprägt sind, denn er erklärte der „taz“:
Wenn die Kirche zum Sündenbock wird
„Wenn man die Zeitungen liest, gewinnt man den Eindruck, sexueller Kindesmiss-brauch, Kirche und Internate seien quasi Synonyme. Das ist eine verzerrte Darstellung. Wenn man das Gesamtphänomen betrachtet, ist der Anteil der Kirche an den gesamten Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch gering. In Deutschland werden jährlich viele tausend Taten begangen. Mit der Fokussierung auf die katholische Kirche entlastet sich die Gesellschaft von dem Blick auf sich selbst.“
Auf die Frage „Geht es etwa konkreter?“, erläuterte der Psychologe:
„Der mediale Diskurs, den wir zurzeit erleben, trägt nur bedingt zur Vorbeugung von sexuellem Kindesmissbrauch bei, weil die Suche nach den Ursachen immer auf besondere Gruppen gerichtet wird: die Priester oder die Pädophilen. Dabei wird das Gros der Taten in der gesellschaftlichen Mitte begangen, in Familien, überwiegend von Nicht-Priestern und Nicht-Pädophilen.“
Auf die Frage, ob Pädophile bei Priestern überproportional vertreten sind, antwortete er: „Nein, das wissen wir nicht.“
In der „taz“ erschien unter diesem Interview ein Leserbrief von „Frank“ aus Berlin, der zu diesem Gedankengang Folgendes schreibt: „Das zu lesen, war mal notwendig. Denn die bisherige Diskussion und Berichterstattung lief größtenteils darauf hinaus, den sexuellen Missbrauch in jene Bereiche zu bannen, wo es der Gesellschaft und dem Einzelnen nicht zu arg schmerzt: verschwiemelte Internate und die katholische Kirche. Da lässt es sich wohlfeil empören, da kann man sicheren Abstand wahren.“
Offenbar gehört der Psychologe Ahlers auch nicht zu jenen, die sexuelle Frühaufklärung von Kindern als geeignetes Mittel ansehen, um sie vor Mißbrauch zu schützen. Stattdessen antwortet er auf die Frage „Wie könnte man die Kinder stärken?“ folgendermaßen:
„Es werden vor allem Kinder Opfer sexueller Übergriffe, die zu Hause nicht genug Liebe und Aufmerksamkeit bekommen. Je geborgener und wertgeschätzter Kinder aufwachsen, desto besser sind sie gegen sexuelle Übergriffe gefeit. Selbstbewusste Kinder können sich stärker abgrenzen und gegebenenfalls widersetzen, auch bei Missbrauch in ihrem persönlichen Umfeld.“
Liebe, Aufmerksamkeit und Geborgenheit für Kinder - das ist wirklich der Weg für eine gute Zukunft, für einen aufrechten Gang, für Schutz und Charakterstärke.