Benedikt XVI. an die Teilnehmer des internationalen Kongresses des päpstlichen Institutes "Johannes Paul II." für Studien über Ehe und Familie


In einem kulturellen Umfeld, das von wachsendem Individualismus, von Hedonismus und allzu oft auch von Mangel an Solidarität und angemessener sozialer Unterstützung geprägt ist, neigt die menschliche Freiheit in ihrer Schwäche angesichts der Schwierigkeiten des Lebens zu Entscheidungen, die im Gegensatz stehen zur Unauflöslichkeit des Ehebundes oder zur gebotenen Achtung vor dem gerade erst empfangenen und noch im mütterlichen Schoß geborgenen menschlichen Leben. Scheidung und Abtreibung sind natürlich Entscheidungen unterschiedlicher Natur. Sie sind manchmal unter schwierigen und dramatischen Umständen herangereift, bringen oft Traumata mit sich und sind eine Quelle tiefen Leids für diejenigen, die sie treffen. Sie betreffen auch unschuldige Opfer: das gerade erst empfangene und noch ungeborene Kind und die in den Bruch der familiären Bindungen verwickelten Kinder. Bei allen lassen sie Wunden zurück, die das Leben für immer prägen. Das ethische Urteil der Kirche über die Scheidung und die vorsätzlich herbeigeführte Abtreibung ist klar und allgemein bekannt: Es handelt sich bei beiden um schwere Schuld, die in unterschiedlichem Maße und unter Vorbehalt der Abwägung subjektiver Verantwortlichkeiten die Würde der menschlichen Person verletzt, tiefes Unrecht in die menschlichen Beziehungen hineinbringt und Gott, den Garanten des Ehebundes und Urheber des Lebens, beleidigt. Dennoch hat die Kirche nach dem Vorbild ihres göttlichen Meisters stets die konkreten Personen vor Augen – vor allem die schwächsten und unschuldigsten, die Opfer der Ungerechtigkeiten und der Sünden, und auch jene Männer und Frauen, die derartige Handlungen vorgenommen und sich dadurch mit Schuld befleckt und innere Wunden davongetragen haben und nach Frieden und der Möglichkeit eines Neubeginns suchen.

Samstag, 5. April 2008