Allein gelassen – Kinder in der Corona-Krise

Christiane Jurczik

Die Kitas bleiben zu, möglicherweise noch monatelang. Für die Art, wie die Regierungschefs die Einschränkungen für die Kleinsten und ihre Familien durchziehen, gibt es keine Rechtfertigung. Auch nicht wissenschaftlich.

Der Umgang mit den Bedürfnissen und Nöten der Kleinsten in unserer Gesellschaft wird zunehmend fragwürdiger. Ein Beispiel aus Berlin: Die Hauptstadt, so berichtet der Tagesspiegel, werde ihre Kitas erst zum 1. August wieder für den Regelbetrieb öffnen. Das wären drei Monate nach dem Go etwa für Autohäuser, Zigarettengeschäfte oder Friseure.

Die Kleinsten sollen zumindest in Berlin, absehbar aber auch in vielen anderen Bundesländern, ganz am Ende der Kette stehen. Daran ändert auch die versprochene Ausweitung der Notbetreuung wenig, da sie – in den meisten Ländern zumindest – geringer ausfällt als erhofft.

Es ist unverantwortlich und unseriös die Kitas bei den Öffnungen ganz ans Ende stellen zu wollen oder sogar schon jetzt wie in Berlin festzulegen: Vor August wird das nix.

Ebenso fragwürdig und kaum erklärbar ist, die Einschränkungen für die Familien nicht mit einem entsprechenden Hilfsprogramm zu begleiten. Die Notbetreuung hilft dem Gros der Betroffenen gar nichts. Gestern schrieb eine Mutter auf Twitter sinngemäß: Die Politik, die junge Menschen zum Kinderbekommen ermutigt, ihnen die nötige gesellschaftliche Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf versprochen hat, erklärt Kinder in der Krise plötzlich wieder zur Privatsache.

Hier ein öffentlicher Kommentar:

Es kann nicht sein, dass verheiratete und beide berufstätige im Stich gelassen werden. Die Botschaft ist: Regelt das alleine! Soll ich jetzt meinen Job kündigen, nur weil ich Kinder habe? Wer bezahlt es? Wenn ich unbezahlten Urlaub nehme, wer macht meinen Job? Nur Kinderlose dürfen jetzt arbeiten und alle anderen müssen sich rechtfertigen, weil sie Kinder haben und ein Gang zurück schalten sollen? Sind die alle jetzt schlecht, weil man sich irgendwann für die Kinder entschieden hat? Wir haben uns diese Situation nicht ausgesucht und es wurde versprochen, keiner verliert was. Dann sollen bitte auch Lösungen kommen. Genau aus diesem Grund werden die Arbeitgeber noch mehr schauen, damit sie keine Mutti einstellen. Kinder sind die Zukunft aber in dieser Zeit werden sie zu einem Virus gemacht und keiner fühlt sich dafür verantwortlich.

Laut einer aktuellen Umfrage werden 17,3 Prozent der Kinder von niemanden betreut

Um ihre Kinder zu betreuen, greifen viele Eltern auch auf Großeltern zurück, obwohl ältere Menschen einem besonderen Risiko ausgesetzt sind. Viele Eltern mit Kindern fällt es immer schwerer in der Corona-Krise Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

So hatte eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Civey für Business Insider vor einer Woche gezeigt, dass rund ein Drittel der Deutschen mit Kindern im Haushalt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als größte Herausforderung sich sieht. Vor allem die Betreuung der Kinder ist ein Problem.

Auf die Frage, wer aktuell auf Ihr Kind aufpasst, während Sie arbeiten, antworteten 17,3 Prozent der befragten Eltern: „Niemand“. Im Klartext: Jedes sechste Kind von arbeitenden Eltern unter 12 Jahren ist sich selbst überlassen.

Foto: Jorge Saidl