<p>Christiane Jurczik</p>
<p>Kinder- und Jugendärzte haben zum Weltdrogentag
die Bemühungen zur Legalisierung von Cannabis kritisiert. Alle Initiativen, die
den legalen Konsum für Erwachsene erreichen wollen, hätten keine Strategie, um
sicherzustellen, dass Cannabisprodukte nicht an Minderjährige weitergegeben
werden, sagte der Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und
Jugendmedizin, Hans-Iko Huppertz.</p>
<p>Der Konsum von Cannabis in jungen Jahren stehe
mit vorzeitigen Schulabbrüchen und Misserfolgen in der Bildung in Verbindung,
hieß es. Negative Auswirkungen könnten sich demnach auch bei der Entwicklung
des Gehirns und der Persönlichkeit sowie im sozialen Bereich zeigen. „Durch
eine Legalisierung von Cannabis werden die gesundheitlichen Gefahren des
Cannabiskonsums verharmlost und jahrzehntelange erfolgreiche
Präventionsbemühungen im Suchtbereich konterkariert“, so Huppertz.</p>
<p>"Von legalem Cannabis wird man genauso
abhängig wie von illegalem", sagt Oliver Voß-Jeske im Hinblick auf
Überlegungen, die Droge zu legalisieren.</p>
<p>Laut einer aktuellen Untersuchung ist
die Zahl der jugendlichen Cannabis-Konsumenten bereits in den vergangenen zwei
Jahren deutlich gestiegen. Einzelne Wissenschaftler führen das darauf zurück,
dass über die Legalisierung debattiert wird.</p>
<p>Folgen
des Konsums im Alltag</p>
<p>Der dauerhafte Konsum
von Cannabis und vor allem der frühe Einstieg in das regelmäßige Kiffen haben
einen bedeutsamen Einfluss auf die alltäglichen Abläufe.</p>
<p>Schon 2007 wurde eine Studie veröffentlich, die
überraschende Ergebnisse brachte. Und eine vertiefende Analyse über den
Einfluss einzelner Substanzen hat schließlich ergeben, dass nicht Ecstasy,
sondern Cannabis den stärksten Effekt hat. Je mehr gekifft wurde, desto mehr
Fehlleistungen machten sich im Alltag bemerkbar. </p>
<p>Um sich nicht auf Selbstangaben oder den
Aussagen von Freundinnen und Freunden zu stützen, haben Montgomery und Fisk
eine weitere Studie durchgeführt, in der die Testpersonen sich in einem virtuellen
Büro bewähren mussten. Die etwa 40-minütige Aufgabe erforderte verschiedene
kognitive Fähigkeiten wie Aufgaben zu planen, Prioritäten zu setzen oder bei
unerwarteten Ereignissen rasch und flexibel zu reagieren. Zwanzig Cannabiskonsumierende
im Alter zwischen 18 und 25 Jahren haben an der Studie teilgenommen. Um die
Ergebnisse nicht durch akute Wirkungen zu verfälschen, mussten die Testpersonen
an mindestens fünf Tagen vor der Untersuchung abstinent gewesen sein. Zum
Vergleich wurden zusätzlich 20 altersgleiche Personen eingeladen, die noch nie
illegale Drogen konsumiert haben.</p>
<p>Die Ergebnisse waren eindeutig:
Cannabiskonsumierende verzettelten sich eher bei der Koordination verschiedener
Aufgaben und vergaßen häufiger, geplante Dinge zu erledigen. Letzteres wird als
prospektives Gedächtnis bezeichnet. Konkret kann das so alltägliche Dinge
betreffen wie zum Beispiel, sich daran zu erinnern, einen Brief einzuwerfen,
wenn man an einem Briefkasten vorbeikommt, einen Freund zu einer verabredeten
Zeit zu treffen oder ein Buch bis zu einem bestimmten Datum zur Bibliothek
zurück zu bringen. Studienleiterin Montgomery und ihr Team gehen daher davon
aus, dass sich kognitive Defizite bei Cannabiskonsumierenden auch im richtigen
Leben bemerkbar machen.</p>
<p>Wie sich zeigte, konnten Konsumierende deutlich
schlechter mit Aufgaben umgehen, die Multitasking erforderten, als abstinente
Testpersonen. Sie waren stärker gestresst und fühlten sich durch die
anstrengenden Aufgaben eher überfordert als die Kontrollpersonen. Das bedeutet:
Bei einfachen Aufgaben machen sich Cannabis-bedingte kognitive Defizite
womöglich kaum bemerkbar. Sobald es anstrengend wird geraten
Cannabiskonsumierende jedoch schneller unter Stress. Dies mindert nicht nur die
Leistungsfähigkeit, sondern auch das Wohlbefinden.</p>
<p>Früher
Einstieg mindert Hirnleistung</p>
<p>Anders sieht die Lage aus, wenn der Einstieg in
das Kiffen schon früh erfolgt ist. Als früher Einstieg wird in der Forschung
meist das Kiffen vor dem Alter von 16 Jahren definiert. Eine Vielzahl an
Studien weist inzwischen darauf hin, dass der frühe Einstieg in das Kiffen
dauerhaft Hirnveränderungen nach sich ziehen kann. Das jugendliche Gehirn
befindet sich in einer wichtigen Umbruchphase. Häufiges Kiffen flutet das
Gehirn mit THC, während es gerade entscheidende Reifungsprozesse vollzieht.
Studien konnten zeigen, dass hierdurch bestimmte kognitive Leistungen
beeinträchtigt werden, auch wenn die Personen schon länger abstinent sind. </p>
<p>Weiterhin stellten sie fest, dass ihre verbale
Lernfähigkeit im Vergleich zu abstinenten Gleichaltrigen schon deutlich
eingeschränkt ist. Bereits nach durchschnittlich 2,4 Jahren Konsumerfahrung
würden sich Defizite bei ihnen zeigen wie sie bei erwachsenen Kiffern erst nach
langjährigem Konsum auftreten.</p>
<p>Die Folgen des frühen Kiffens machen sich nicht
nur in der Lernfähigkeit bemerkbar, sondern auch in der so genannten kognitiven
Flexibilität. Damit ist die Fähigkeit gemeint, gedanklich schnell umschalten zu
können, wenn es die Situation erfordert.</p>
<p>Wenn
ein Jugendlicher mit 12, 13 Jahren anfängt zu kiffen, besteht die Gefahr, dass
er oder sie für die Pubertät wichtige Erfahrungen nicht macht. In dieser Zeit
geht es ja zum Beispiel darum, Frustrationstoleranz zu lernen, auszuhalten,
dass Dinge nicht gleich so laufen, wie man es gern hätte. In dieser Zeit lernen
Jugendliche auch, Dinge schrittweise zu denken und zu planen. Wer aber Probleme
lieber aussitzt und stattdessen kifft, lernt nicht, mit ihnen umzugehen. Auch
die schulischen Leistungen von Jugendlichen, die schon mit 13 angefangen haben
zu kiffen, fallen in der 7./8. Klasse oft ganz extrem ab. Jugendliche, die
Cannabis regelmäßig konsumieren, sind oft deutlich in ihrer Konzentrations- und
Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Das zieht sich dann auch bis ins
Erwachsenenalter rein.</p>